Entspannung im Gehirn – Schulferien gut nutzen

Presse
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15.08.2016

Wie Schüler sich gut in den Sommerferien entspannen, ohne dass die kognitive Leistung stark nachlässt, erklärt Dr. Corinna Bonhage, Referentin der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung im Bereich „Neurowissenschaften“ und zuständig für das Wissensportal www.dasGehirn.info.

So gut Urlaub dem Kopf tut, die lange Auszeit hat auch ihre Tücken fürs Gehirn. So haben mehrere Studien gezeigt: Während der Sommerferien bauen Schüler kognitiv sogar ab. Vor allem Fertigkeiten wie Kopfrechnen und Buchstabieren, die regelmäßig trainiert werden müssen, lassen nach. Je älter die Schüler, desto schlimmer wirkt sich das Sommerloch aus, war das Ergebnis einer Metaanalyse, für die 39 Studien ausgewertet wurden.

Wie sieht der perfekte Urlaub für das Gehirn aus?

Dr. Corinna Bonhage: Viele Studien zeigen, dass sich der Urlaub positiv auf den Stresslevel auswirkt. Nach den Ferien ist man entspannter und kann sich besser konzentrieren. Aber tatsächlich ist es auch so, dass Übung sehr wichtig für das Lernen ist. Wenn man also eine Zeitlang nicht geübt hat, steigt man nicht auf dem vorherigen Niveau wieder ein. Trotzdem kommt man nach den Ferien relativ schnell wieder auf dieses Level und sogar schneller, als würde man etwas zum ersten Mal lernen.

Woran liegt das?

Sie müssen die Gedächtnisleistung nicht komplett neu lernen, sondern nur etwas auffrischen, was schon da war. Das ist, wie wenn man vor Jahren in der Schule eine Fremdsprache gelernt hat, sie danach aber nicht mehr benutzt hat. Wenn man jetzt wieder anfängt, die Sprache zu lernen, dann lernt man sie deutlich schneller als beim ersten Mal. Es ist ganz schwer, Sachen komplett zu vergessen. Die Frage ist eher, wie schnell wir das Erlernte wieder abrufen können. Das braucht regelmäßige Übung.

Immer nur Üben wird Schülern nicht gefallen. Ist Entspannung denn nicht auch wichtig fürs Lernen?

Vorab: Ab und an kann Stress sich durchaus positiv auf das Lernen auswirken, Dauerstress ist allerdings schädlich. Allerdings hat sich Erholungsschlaf in Gedächtnisuntersuchungen als sehr hilfreich erwiesen. Im Schlaf „wiederholt“ das Gehirn relevante Erinnerungen und speichert sie so besser im Langzeitgedächtnis ab.

Und was hilft am besten beim Entspannen?

Man sollte viel schlafen, in die Natur gehen, sich bewegen und Umgebungen mit hohem Lärmpegel meiden. Ein regelmäßiger Tagesrhythmus und Achtsamkeitsübungen helfen ebenfalls.

Woran merkt man, dass man richtig entspannt ist?

Daran, dass man sich gut fühlt, sich leicht konzentrieren kann, schnell ein- und durchschlafen kann und nicht hektisch agiert. Ängste, Aggressionen, Kopfschmerzen oder andere Stresssymptome wie Fingernägelkauen lassen nach. Ich persönlich merke immer, dass ich nach einer Weile Nichtstun wieder richtig aufnahmefähig bin und mich auf Input freue.

Was sollten Kinder und Jugendliche in den Ferien machen, um nach diesen sechs Wochen wieder Lust auf Input und Schule zu haben?

Bei Lernschwierigkeiten kann ein Teil der Urlaubszeit natürlich genutzt werden, um zu helfen. Bei zusätzlichem Üben ist es wichtig, dies nicht zur Strafmaßnahme werden zu lassen und in kleinen Schritten mit viel Lob vorzugehen – Erfolg motiviert zum Weitermachen. Jugendlichen empfehle ich, etwas Stimulierendes und ganz Neues zu unternehmen. Das hat auch mit Lernen zu tun: Ich komme mit neuen Menschen zusammen, von denen ich nicht nur etwas lernen kann – diese neuen Menschen haben auch noch kein festes Rollenbild von mir. Da kann ich mich ausprobieren, mich neu positionieren, was in der Pubertät ja eine große Rolle spielt. Und nach all diesem Neuen und Aufregenden freue ich mich dann auf bekannte Gesichter, auf Zuhause und die Schule.

Dr. Corinna Bonhage ist Referentin der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung im Bereich „Neurowissenschaften und Hochschule“ und Leiterin des Projekts www.dasGehirn.info. Sie promovierte am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften zu Gedächtnis- und Vorhersageprozessen im Gehirn.

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