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Quelle: Michael Grosler
Interview mit Despina Sivitanides

Ein bewusstes Leben bringt viel Gutes!

Despina Sivitanides, Dozentin und Lebensberaterin, berichtet im Interview, wie sie den Herausforderungen der Multiplen Sklerose etwas positives abgewinnt.
Gehirn erforschen

Despina Sivitanides ist seit 2017 Dozentin der Akademie Mont Cenis des Ministeriums des Inneren – aber das ist bei weitem nicht alles, was sie vorweisen kann. Neben ihrer Tätigkeit als Dozentin ist sie unter anderem philosophische Lebensberaterin und Resilienz-Spezialistin. Auf Ihrer Website Gedankenkabinett klärt sie über ihre vielen Tätigkeitsfelder und sozialen Projekte auf und vertritt das Motto „Ich trage das Licht in die Dunkelheit!“. Seit ihrer MS-Diagnose engagiert sie sich außerordentlich für MS Erkrankte und hat für ihr Projekt „BAER - Mentoring-Projekt für Kinder und Jugendliche mit Multipler Sklerose“ 2015 den Hertie-Preis für Engagement und Selbsthilfe erhalten. 

Frau Sivitanides, wann haben Sie die besten Ideen?

Die besten Ideen kommen mir, wenn ich ganz im Moment bin und im Sein aufgehen kann und damit mein Unterbewusstsein anrege. Dann muss ich jegliche Gedanken ausblenden und mich bewusst auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Wenn ich zum Beispiel bei einem Problem keine Lösung finde, kann es helfen, wenn ich vor die Tür gehe und alles aus einem anderen Blickwinkel betrachte.

Was tun Sie, wenn Sie sich etwas Gutes tun wollen? 

Damit es mir gut geht, gehe ich sehr achtsam mit mir selbst um. Ich habe gelernt, dass es meinem Umfeld besonders gut geht, wenn auch ich mit mir im Reinen bin. Außerdem versuche ich nüchtern - ohne Emotionen - zu denken und zu sein, am besten bereits beim frühmorgendlichen Aufstehen. Daher gibt es bei mir beispielsweise kein bestimmtes Ritual, um mir etwas Gutes zu tun. Ein bewusstes Leben bringt viel Gutes.

»Solange meine Ressourcen ausreichen, um meine Aufgaben im Alltag zu bewältigen, bin ich zufrieden und glücklich.«

Wie motivieren Sie sich?

Einfach aufstehen und machen, egal wie ätzend es manchmal ist (lacht). Ich lebe eigentlich schon immer nach dem Credo: Wenn du etwas erledigen musst, gehe diese Aufgabe innerhalb von 72 Stunden an. Wenn man nämlich länger wartet, denkt sich das Gehirn „Ach, so wichtig kann es ja doch nicht sein“ und es wird immer schwieriger, diese Aufgabe anzugehen. Selbst während meiner Schulzeit habe ich meistens direkt mit dem Lernen für eine Arbeit begonnen und nicht erst einen Tag oder eine Woche vorher. Das macht vieles einfacher.

Was können Sie besonders gut?

Ich bin der Meinung, dass ich viele Sachen gut beherrsche. Ich bin beispielsweise eine philosophische Lebensberaterin und eine Resilienz-Spezialistin, ich habe sogar meine eigene Methode namens Resilienz nach Sivitanides gegründet. Außerdem wird mir oft gesagt, dass ich Menschen besonders gut motivieren kann. Ich nehme den Menschen so wie er ist und vor mir sitzt und gehe dann individuell auf ihn ein. Dann spüre ich, wo Bedarf zum Reden und Handeln ist und knüpfe daran an. Abschließend passt hier vielleicht mein Arbeitsmotto: „Ich löse alle Probleme (bis auf Handwerkliches)!“

Auf was sind Sie stolz in Ihrem Leben?

Ich würde nur ungerne das Wort „stolz“ benutzen. Lieber würde ich sagen, dass ich sehr froh darüber bin, dass ich die Wichtigkeit von Selbstfürsorge gelernt habe, vor allem auch durch meine MS Erkrankung. Es ist wichtig, seine eigenen Grenzen zu erkennen und einzuhalten.

Haben Sie einen Lieblingsort?

Draußen mitten in der Natur fühle ich mich am wohlsten. Dabei ist es mir gleich, welche Jahreszeit oder Wetterlage gerade ist, ich gehe immer raus an die frische Luft. Besonders faszinieren mich Bäume, weil sie so beruhigend und geerdet sind – von ihnen kann ich viel Energie gewinnen.

Der perfekte Tag – wie sähe der für Sie aus?

Den einen perfekten Tag gibt es für mich nicht. Ich akzeptiere jeden Tag mit seinen schönen Momenten, aber auch mit seinen Herausforderungen. Solange meine Ressourcen ausreichen, um meine Aufgaben im Alltag zu bewältigen, bin ich zufrieden und glücklich. Erst wenn meine Ressourcen nicht mehr ausreichen, empfinde ich Stress. Das musste ich lernen und meinen Lebensstil dementsprechend anpassen.

»Mein Arbeitsmotto lautet: Ich löse alle Probleme (bis auf Handwerkliches)!«

Über den Hertie-Preis für Engagement und Selbsthilfe

Der Hertie-Preis für Engagement und Selbsthilfe wird bereits seit fast 30 Jahren verliehen und ist eines der ältesten Projekte der Stiftung im Bereich Neurowissenschaften. 

Hier erfahren Sie mehr zum Hertie-Preis

Wie tanken Sie Kraft?

Wie eben bereits erläutert kann ich am besten in der Natur Kraft tanken. Ich bin der Meinung, dass die heilenden Kräfte der Natur auch bei meiner MS Erkrankung helfen. Als ich vor gar nicht allzu langer Zeit einen MS Schub hatte, war meine rechte Körperseite gelähmt. Dann habe ich mich einige Tage mit meinem Rollstuhl in die Natur gesetzt und das ganze Grün der Bäume bewusst eingeatmet. In dieser Zeit war ich ganz auf mich und den Heilungsprozess konzentriert, habe Kraft von innen herausgeschöpft. Man mag es kaum glauben, aber nach vier Tagen konnte ich meinen rechten Arm und das rechte Bein wieder bewegen, sogar Fahrradfahren war wieder möglich. Ohne meine Kraftquelle wäre der Schub in meinen Augen nicht so schnell abgeklungen.

Wen würden Sie gerne auf einen Kaffee treffen, wenn Sie die freie Wahl hätten?

Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich sehr gerne mit Epikur einen Kaffee trinken gehen. Er war ein griechischer Philosoph und Begründer des Epikureismus. Seine philosophische Lebenskunst, seine Thesen und vor allem seine Lehren des Tetrapharmakon haben mich sehr inspiriert. Mit ihm würden bestimmt spannende Gespräche zustande kommen.

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