Ein Gesellschaftsdienst für alle 

Seit 2021 beschäftigt sich die Hertie-Stiftung mit der Einführung eines Gesellschaftsdienstes. Mit zwei wissenschaftlichen Studien trägt sie zur Versachlichung der Debatte bei. Ziel ist es, den Fokus der bisherigen politischen Initiativen auf konkrete Umsetzungsmöglichkeiten zu lenken, noch offene Fragen zu thematisieren und Gemeinsamkeiten der verschiedenen Modelle hervorzuheben.

Studie 2024

Wie kann ein Gesellschaftsdienst zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts beitragen?

Mit dieser Frage beschäftigt sich die zweite Machbarkeitsstudie der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung.

Im Kontext der aktuellen Debatte um eine mögliche Wehrpflicht oder einen Gesellschaftsdienst fasst die Studie den aktuellen Stand und die in Deutschland diskutierten Modelle zusammen. Das Fazit: Ein Gesellschaftsdienst, der den sozialen Zusammenhalt stärkt, ist machbar – und sollte nicht nur auf junge Menschen nach dem Schulabschluss abzielen. Beispiele aus anderen europäischen Ländern zeigen die Chancen und die Komplexität dieser Aufgabe.

 Die Studie betont, dass ein klarer Rahmen, bedarfsorientierte Aufgaben und ein nachhaltiger gesellschaftlicher Mehrwert entscheidend sind, um Akzeptanz für dieses Vorhaben zu schaffen und die nächsten Schritte zur Umsetzung zu gehen.

Zusammenfassung der  Ergebnisse

PDF der Studie 2024

Studie 2023

Die Studie 2023 „Ein Gesellschaftsdienst für alle – zur Machbarkeit in Deutschland und Europa“ untersucht, wie ein Gesellschaftsdienst zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts beitragen kann. Dabei liegt der Fokus nicht auf der Frage, ob dieser Dienst verpflichtend oder freiwillig sein sollte, sondern darauf, wie er unter den aktuellen Rahmenbedingungen attraktiv gestaltet werden kann. So bietet die Studie konkrete Handlungsempfehlungen, um einen Gesellschaftsdienst für verschiedene Zielgruppen ansprechender zu machen und gleichzeitig einen positiven Beitrag zum gesellschaftlichen Miteinander zu leisten.

PDF der Studie 2023

Zentrale Aspekte für die Umsetzung eines Gesellschaftsdienstes

1. Digital first: Flexibilität und schlanke Administration

Ein moderner Gesellschaftsdienst benötigt eine digitale Infrastruktur mit minimalem Verwaltungsaufwand. Zentrales Matching ermöglicht eine schnelle Vermittlung von Interessierten zu passenden Aufgaben. Eine frühzeitige digitale Registrierung erleichtert den Einstieg.

2. Qualifizierung: Vor, während und nach dem Dienst

Qualifizierungsmaßnahmen sollten teilweise digital und hybrid erfolgen, um Flexibilität zu bieten und die Ausbildenden zu entlasten. Dadurch bleiben Teilnehmer auch nach dem Dienst als Reservisten im System.

3. Anreize und Anerkennung für alle Lebenslagen

Anrechnungen als Fortbildung oder 10. Schuljahr sind besonders attraktiv für Menschen mit niedriger Qualifikation. Eine anerkannte Dachmarke und passende Dienstformate für verschiedene Lebenslagen sind notwendig, ebenso wie Anreize wie z.B. eine „Gesellschaftszeit“.

4. Niederschwellige Interaktionsmöglichkeiten – Einmal im Leben reicht nicht

Menschen benötigen mehrfach im Leben Anknüpfungspunkte, um Teil des Dienstes zu werden. Bestehende Interaktionen wie Passverlängerungen oder Wahlbenachrichtigungen können genutzt werden, um viele Menschen regelmäßig zu erreichen.

5. Iteration und Evaluation von Anfang an

Der Dienst muss kontinuierlich weiterentwickelt werden, um seine Relevanz zu sichern. Tätigkeitsfelder und Einsatzmodelle sollten ständig an die Bedürfnisse der Gemeinschaft und der Teilnehmenden angepasst werden. Lang- und Kurzzeitstudien zur Evaluation sind von Beginn an erforderlich.

6. Europäische Perspektive mitdenken

Europäische Zusammenarbeit sollte fester Bestandteil der Debatte sein. Der Austausch guter Modelle und die Entwicklung gemeinsamer Ansätze fördern den europäischen Zusammenhalt und setzen ein Zeichen gegen nationalistische Tendenzen.

Aktuelle Entwicklungen in Europa und der Welt

Beispiele Gesellschaftsdienst

Die Schweiz hat eine Milizarmee. Das heißt, Männer leisten über mehre- re Jahre ihren Wehrdienst verpflichtend ab. Die Volksinitiative Für eine engagierte Schweiz (Service-citoyen-Initiative) schlug 2022 einen Gesellschaftsdienst für alle als Alternative vor. Diese Idee wurde im März 2024 vom Bundesrat ohne Gegenvorschlag abgelehnt worden.

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Beispiele Gesellschaftsdienst

Seit 2019 hat Frankreich den Service National Universel. Inzwischen nehmen jährlich etwa 40.000 Jugendliche in den Schulferien an diesem Kurzzeitdienst teil, das entspricht etwa 5 Prozent eines Jahrgangs. Es gibt Pläne, den Dienst zur Pflicht zu machen, bisher finden sich dafür aber keine politischen Mehrheiten.

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Beispiele Gesellschaftsdienst

In Großbritannien brachten die Konservativen 2024 den Vorschlag, einen verpflichtenden National Service einzuführen. Junge Menschen – Männer wie Frauen – sollten dann entweder ein Jahr lang einen Wehrdienst absolvieren, oder über einen längeren Zeitraum die Wochenenden mit gemeinnütziger Arbeit verbringen. Nach der Wahlniederlage im Juli 2024 ist der Vorschlag wohl zunächst vom Tisch.

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Beispiele Wehrpflicht

Die USA haben zwar schon seit 1973 keine Wehrpflicht mehr, jedoch eine flächendeckende Wehrerfassung für Männer. Nun soll die Erfassung auf Frauen ausgeweitet werden, die sich bislang freiwillig melden können.

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Beispiele Wehrpflicht

Auch Kroatien plant, die Wehrpflicht, welche 2008 ausgesetzt wurde, 2025 wieder zu aktivieren. Junge Männer sollen dann zwei bis drei Monate an der Waffe ausgebildet werden. Alternativ können sie einen etwas längeren Zivildienst leisten.

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Beispiele Wehrpflicht

Dänemark hat eine Wehrpflicht auf Losbasis, die jedes Jahr einen ausgewählten Teil der jungen Männer rekrutiert. Die Dauer der Wehrpflicht wurde nun von vier auf elf Monate verlängert. Ebenso soll die Wehrpflicht ab 2026 auch Frauen gelten.

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Beispiele Wehrpflicht

Schweden führte die Wehrpflicht 2017 wieder ein, dabei werden jährlich etwa 4 Prozent einer Alterskohorte eingezogen. Ab Frühling 2024 gilt auch wieder die Zivildienstpflicht, die „Civilplikt“. Jährlich sollen 3.000 Dienstleistenden ausgewählt werden. Ähnlich wie bei der Wehrpflicht werden jeweils nur so viele Personen rekrutiert, wie für bestimmte Aufgaben benötigt werden.

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Initiatoren der Studie

Prof. Nico Hofmann

Dr. h.c. Frank-J. Weise

Prof. Dr. Bernhard Schlink

Autorenteam

Dr. Rabea Haß

Dr. Grzegorz Nocko

Stimmen zum Gesellschaftsdienst

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Inhalt anzeigen
Videointerviews

In sechs Videointerviews berichten Menschen diverser Alter über Ihre Erfahrungen mit und Ihre Perspektive auf einen Gesellschaftsdienst. So spricht etwa Prof. Dr. Bernhard Schlink, Jurist, Schriftsteller und Mitinitiator der Hertie-Studie, über die seiner Meinung nach positiven Auswirkungen eines Dienstes auf Gesellschaft und Individuum. Während Nelly Schrader, Mitbegründerin der Kampagne "Freiwilligendienst Stärken", über die ihrer Ansicht nach mangelnde Bekanntheit eines Gesellschaftsdienstes unter jungen Menschen berichtet.

Alle Interviews finden Sie hier

Sie möchten mehr erfahren?

Wenn Sie als  Journalistin, Politiker oder Forschende mehr über die Machbarkeitsstudie zum Gesellschaftsdienst erfahren möchten, nehmen Sie gerne mit Dr. Grzegorz Nocko  Kontakt auf. Wir versorgen Sie mit Hintergrundinformationen oder vermitteln Ihnen Gesprächspartner zum Thema.

Dr. Grzegorz Nocko

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