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Gründerin und Organisatorin Muriel Stoppe nach der Probe, Foto: Johannes F. Kirchherr
Interview mit Dr. Muriel Stoppe

Wir als Ärzte setzen uns ein für Erkrankte, wir engagieren uns über den Beruf hinaus.

Die Neurologin Dr. Muriel Stoppe hat das Deutsche NeuroOrchester mitbegründet, dessen Konzerte Aufmerksamkeit für neurologische Erkrankungen schaffen sollen.
Gehirn erforschen

Die Musik hat für Dr. Muriel Stoppe schon immer eine große Rolle gespielt. Mit drei Jahren begann sie mit Begeisterung Geige zu spielen, aber als die Entscheidung für ein mögliches Studium anstand, entschied sie sich für Medizin. Heute ist sie an der Klinik für Neurologie des Uniklinikums Leipzig tätig und hat vor drei Jahren das Deutsche NeuroOrchester mitbegründet. Ziel dieses Projektes ist es, gemeinsam mit anderen Ärztinnen und Ärzten auf Krankheiten wie die Multiple Sklerose aufmerksam zu machen und die unabhängige Forschung zu fördern. Im Interview spricht Muriel Stoppe über die Verbindung von Medizin und Musik, ihr Engagement im Deutschen NeuroOrchester und ihre persönlichen Vorbilder.

Frau Stoppe, wann haben Sie die besten Ideen?

Sehr oft abends, wenn ich eigentlich ins Bett gehen möchte.

Was tun Sie, wenn Sie sich etwas Gutes tun wollen?

Entweder viel Ruhe: Einfach mal ausschlafen, im Anschluss ein ausgiebiges Frühstück und dann am liebsten irgendwo ans bzw. aufs Wasser gehen. Oder etwas Erleben: ein Ausflug in die Natur, ein schönes Konzert, ein Abend mit Freunden.

Wie motivieren Sie sich?

Wenn ich eine Aufgabe angehe habe ich meistens schon eine konkrete Vorstellung, wie das Ergebnis aussehen soll, z.B. ein gutes Konzert mit meinen Kolleginnen und Kollegen zu spielen [lacht]. Dies vor Augen – da erledigen sich viele Dinge fast wie von selbst. Für alles andere hilft mir meine niemals endende To-Do-Liste – auch wenn mein Partner mich dafür regelmäßig aufzieht.

Sie spielen auf einem hohen Laienniveau im Deutschen NeuroOrchester, das sie mitbegründet haben. Was bedeutet ihnen dies?

Zurzeit bedeutet es viel Arbeit [lacht]. Nein, im Ernst, dieses Orchester bietet die einzigartige Möglichkeit, mit Kollegen gemeinsam Musik zu machen – fernab von Klinikalltag und typischen Hierarchien. Dies verbindet uns: Wir sprechen die gleiche Sprache, wachsen in den Proben zusammen, sind vor den Konzerten gemeinsam aufgeregt und anschließend gemeinsam stolz.

Andererseits bietet dieses Orchester die großartige Gelegenheit, sich zu engagieren. Wir als Ärzte setzen uns ein für Erkrankte – über den Beruf hinaus engagieren wir uns. Wir wollen die Plattform nutzen, um auf Krankheiten, wie die MS aufmerksam zu machen und Spenden für unabhängige Forschungsprojekte sammeln.  

Was war in diesem Orchester der spannendste Moment?

Nur ein spannendes Erlebnis!? Alles war bisher aufregend. Ich weiß noch, als ich 2017 mit meinem Chef und damaligen Präsidenten der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie Prof. Joseph Claßen bei Frau Masur (Ehefrau des verstorbenen Dirigenten Kurt Masur) zuhause in Leipzig saß bei einem Stück Kaffee und Kuchen. Es ging darum, dieses Orchester auf die Beine zu stellen. Für so etwas braucht man gute Partner und einen Veranstalter. Da haben wir versucht, sie für das Projekt zu begeistern. In Leipzig konnten wir dann unser erstes Konzert im Gewandhaus spielen. Letztes Jahr haben wir zum ersten Mal mit der DMSG und der Hertie-Stiftung zusammengearbeitet und für die Multiple Sklerose Forschung im Konzerthaus Berlin gespielt – ein weiterer Höhepunkt. Jetzt steht das dritte Konzert an, diesmal in der Liederhalle in Stuttgart, und Ende August fand unser Probenwochenende statt. Wir haben insgesamt nicht viel Probenzeit. Da ist es immer aufregend: wie gut ist jeder vorbereitet, wie schnell finden wir klanglich zusammen. Ich bin auch dieses Jahr wieder begeistert, wie gut das klappt und wieviel Spaß wir haben, aber eine Routine haben wir noch nicht.

Wir suchen auch immer noch neue Kolleginnen und Kollegen, die bei uns mitspielen. Musikerinnen und Musiker aus der Neurologie/den Neurowissenschaften, die im Deutschen NeuroOrchester mitspielen wollen, können sich daher immer gerne an mich wenden (per Mail an: muriel.stoppe@medizin.uni-leipzig.de). Wichtig sind eine gute Spielpraxis und Orchestererfahrung.

Was ist Ihnen wichtiger – Musik oder Medizin?

Mit drei Jahren habe ich angefangen Geige zu spielen. Ich hatte überlegt, Musik zu studieren, aber das wäre viel Arbeit gewesen. Ich kann auf einem hohen Laienniveau musizieren, dafür habe ich in der Jugend viel gespielt. Aber auf Dauer so viele Stunden üben war nicht meins. Ich wollte auch nicht, dass es mir als Hobby fehlt.
Medizin war die richtige Entscheidung. Ich habe auch während des Studiums und danach parallel immer in Orchestern gespielt, in Leipzig sogar das Uniorchester mitgegründet, und nun gibt es mit dem Deutschen NeuroOrchester die Möglichkeit, beides eng zu verbinden.  

Haben Sie ein Motto oder einen Vorsatz?

Es gibt so viele gute Sprüche und Weisheiten, die ich lieber in meinem täglichen Abreißkalender lese, als dass ich mich auf einen bestimmten festlegen möchte.

Was können Sie besonders gut?

Selbstreflexion ist so verdammt schwer. Andere sagen über mich, dass ich sehr zielstrebig und kreativ bin, wenn ich mich einem Projekt widme. Aber am besten fragen Sie dazu meine Kollegen im Deutschen NeuroOrchester.

Benefizkonzert in Stuttgart

Bereits zum dritten Mal wird das Deutsche NeuroOrchester für unabhängige Forschung spielen: In diesem Jahr in der Stuttgarter Liederhalle. Das Benefizkonzert zugunsten der Multiple Sklerose Forschung findet am Abend des 26. September 2019 um 18.30 Uhr statt.

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Auf was sind Sie stolz in Ihrem Leben?

Natürlich auf meinen Sohn Caspar.

Haben Sie einen Lieblingsort?

Nein, in der Tat nicht. Natürlich fühle ich mich in meiner Wahlheimat Leipzig sehr wohl. Es gibt jedoch noch so viele unterschiedliche Orte mit so vielen interessanten Menschen auf dieser Welt zu entdecken, dass ich mich nicht auf einen Platz festlegen möchte.

Wie tanken Sie Kraft?

Grundsätzlich bei gemeinsamen Aktivitäten mit meiner Familie. Aber auch mal im Garten zu sitzen und ein gutes Buch zu lesen. Oder einfach (nicht weitersagen) beim „Bachelor“-Schauen. Leider bleibt mir für beides nicht allzu viel Zeit.

Der perfekte Tag – wie sähe der für Sie aus?

Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. In der Neurologie treffe ich auf so viele spannende Fälle, unterschiedliche Problemstellungen, Aufgaben, die mich fordern. Gleichzeitig macht es mir sehr viel Spaß ein ganzes Jahr im Voraus ein Konzert des Deutschen NeuroOrchester zu organisieren. Mein Kind braucht Unterstützung bei einem Plakat für seinen Vortrag in der Schule. Und mein Partner möchte mit mir spontan zu dem italienischen Bistro um die Ecke. Irgendwie möchte ich das alles auch in Zukunft in meinem Alltag nicht missen.

Wen würden Sie gerne auf einen Kaffee treffen, wenn Sie die freie Wahl hätten?

Meinen Opa. Klingt vielleicht profan, aber oft mache ich mir Gedanken darüber, wie die Menschen von damals auf unsere heutige Zeit blicken würden. Wir leben oberflächlich in Frieden, aber tun wir genügend dafür? Schützen und schätzen wir unsere Freiheit, unsere Demokratie, wie wir es tun würden, wenn wir unsere Vergangenheit nicht nur aus Geschichtsbüchern kennen würden, sondern miterleben mussten?

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