- Jugendliche nutzen im Social Web am häufigsten Youtube (63%) zur politischen Meinungsbildung, Facebook kaum relevant (25%)
- 96% nutzen auch Internet-Präsenzen von Tages- und Wochenmedien zur Meinungsbildung, 41% besuchen Parteien-Websites
- 56% sind der Ansicht, dass Verpflichtung zu Klarnamen die Debattenkultur im Internet verbessern würde
Frankfurt, 14. September 2017 – Politisch interessierte Jugendliche sehen das Internet als bedeutenden Kanal für die politische Meinungsbildung an. Gemäß einer Online-Umfrage unter Teilnehmern des von der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung ausgerichteten Wettbewerbs „Jugend debattiert“ messen 83 Prozent der befragten Jugendlichen dem Internet, insbesondere dem Social Web, eine wichtige bis sehr wichtige Bedeutung für die politische Meinungsbildung bei. Der Status Quo wird jedoch von der Mehrheit der befragten Jugendlichen als unzureichend angesehen: 62 Prozent wünschen sich mehr Angebote im Internet, um sich eine politische Meinung zu bilden. An der Umfrage nahmen 147 Jugendliche im Alter zwischen 14 und 19 Jahren teil.
Nutzung Social Media-Kanäle zur politischen Meinungsbildung – Youtube vorne, Facebook abgeschlagen
Wie die Umfrage zeigt, steht bei Jugendlichen ganz generell der Austauschdienst WhatsApp in der Gunst weit vorne (88% nutzen ihn häufig), gefolgt von Youtube (73%), Instagram (63%) und Snapchat (54%). Facebook spielt als Austauschforum bei Jugendlichen nur noch eine geringe Rolle: Lediglich 24 Prozent der befragten Jugendlichen nutzen Facebook häufig, sogar 56 Prozent geben an, Facebook nie zu nutzen. Nur Twitter ist noch weiter abgeschlagen (9% häufige Nutzung, 74% nie).
Diese generelle Nutzung hat auch Auswirkungen auf die Nutzung der einzelnen Kanäle für die politische Meinungsbildung: Hier liegt Youtube (63%) deutlich vorne, gefolgt von WhatsApp-Gruppen (38%), Instagram (26%), Facebook (25%) und Twitter (22%).
„Bei der Nutzung von Social Media-Kanälen für die politische Meinungsbildung zeigt sich, dass Bewegtbild eine zentrale Rolle spielt. Interessanterweise greifen die Jugendlichen sogar lieber auf WhatsApp-Gruppen als auf Facebook zurück, um sich eine politische Meinung zu bilden“, sagt John-Philip Hammersen, Geschäftsführer der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung. „Über ein Bewegtbild bekommt man schnell ein authentisches Bild – offensichtlich ist die Möglichkeit, einen Menschen und seine Botschaften live zu erleben, ein entscheidender Glaubwürdigkeitsfilter für politisch interessierte Jugendliche.“
Online-Angebote von Tages- und Wochenmedien haben große Relevanz
Abgesehen von Social Media-Kanälen setzen Jugendliche ganz überwiegend auf Internet-Präsenzen von Tages- und Wochenmedien (96%), um sich eine politische Meinung zu bilden. Die Websites von Parteien (41%) werden sogar noch häufiger besucht als Online-Präsenzen von politischen Fachmedien (33%).
„Die Umfrage zeigt, dass gute journalistische Angebote für die politische Meinungsbildung junger Menschen eine ganz wesentliche Rolle spielen. Gerade auch vor dem Hintergrund des Themas Fake News wird die Bedeutung der Medien sowohl als Meinungsbildner als auch als Korrektiv weiter ansteigen“, sagt John-Philip Hammersen.
Chancen im Social Web stärker nutzen
Während Jugendliche zur politischen Meinungsbildung insgesamt eher Informationsangebote etablierter Medien anstatt Social Web-Kanäle nutzen, bieten sich durchaus noch Chancen für gezielte Angebote im sozialen Netz. 51 Prozent der befragten Jugendlichen sehen das Social Web grundsätzlich als geeignet für die politische Meinungsbildung an, doch gleichzeitig geben 67 Prozent an, dass sie sich im Social Web aktuell keine klare Meinung bilden können.
„Viele Medien und auch Parteien sind in sozialen Medien aktiv – offensichtlich geht die Art und Weise, wie kommuniziert wird, jedoch am Bedürfnis vieler junger Menschen vorbei. Es reicht heute nicht mehr, einfach nur im Social Web dabei zu sein. Es kommt vielmehr darauf an, das Angebot noch besser auf junge Menschen auszurichten“, erklärt John-Philipp Hammersen. Nach Ansicht von Hammersen hätten darüber hinaus durchaus auch neue Initiativen und Plattformen, die glaubwürdig ihre Neutralität und Unabhängigkeit vermitteln können, gute Chancen, die Gunst Jugendlicher für eine fundierte politische Meinungsbildung zu erringen – im Idealfall von Jugendlichen für Jugendliche.
Wunsch nach mehr Angeboten
Das Bedürfnis auf Seiten der Jugendlichen nach mehr Angeboten für politische Meinungsbildung im Internet und Social Web ist mit 62 Prozent hoch. Zu den geäußerten Wünschen zählen unter anderem: unabhängige und transparente Informationen, parteiübergreifende Foren, einfache Erklärung von Parteiinhalten, mehr Interaktionsmöglichkeiten mit Parteien, mehr Präsenz von Zeitungen in sozialen Netzwerken wie Snapchat oder Instagram, mehr Blogs und Videos oder digitale Debattenrunden mit Parteienvertretern.
„Jugendliche haben zum Teil sehr konkrete Vorstellungen, wie Angebote aufgemacht sein müssten, damit sie diese für die eigene politische Meinungsbildung nutzen. Etablierte Formate und Angebote, ganz gleich ob von Medien, Parteien oder anderen gesellschaftlichen Gruppen, sollten daher ihre Partizipationsmöglichkeiten für Jugendliche deutlich ausbauen“, erklärt Hammersen.
Keine Angst vor Klarnamen im Social Web
Ein vieldiskutiertes Thema war in der jüngsten Vergangenheit die Verpflichtung zu Klarnamen im Social Web. Eine leichte Mehrheit der befragten Jugendlichen (56%) ist der Ansicht, dass das verpflichtende Verwenden des Klarnamens die Debattenkultur im Internet verbessern würde (31% Nein, 13% Weiß nicht). 59 Prozent der befragten Jugendlichen wären bereit, eine solche Verpflichtung zu akzeptieren (33% Nein, 8% Weiß nicht).
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