Umfrage Hertie-Stiftung: Lehrer favorisieren gebundene Ganztagsschule – mehr Hilfe bei Angeboten zur Berufsorientierung gewünscht

Presse
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08.02.2017

Lehrkräfte favorisieren unter den Konzepten für Ganztagsschulen mit deutlichem Abstand die gebundene Variante. Dies ergab eine Umfrage der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung unter Schulleitungen und Lehrern der Sekundarstufe I. Mit Blick auf die Berufsorientierung von Schülern wünschen sich viele Lehrer einen Ausbau von Angeboten insbesondere durch die regionale Wirtschaft.

Für die Umfrage wurden online-basiert Schulleiter und Lehrer befragt, die mit ihren Schulen an Deutschlands größtem Schulwettbewerb „Starke Schule. Deutschlands beste Schulen, die zur Ausbildungsreife führen“ teilgenommen haben. Als „Starke Schule“ werden alle zwei Jahre allgemeinbildende Schulen der Sekundarstufe I – beispielsweise Gesamtschulen, Förderschulen, Hauptschulen, Realschulen – ausgezeichnet, die sich in besonderer Weise für die schulische Entwicklung ihrer Schüler einsetzen. An der Umfrage haben insgesamt 102 Lehrkräfte teilgenommen.

Jede zweite Lehrkraft hält die gebundene Ganztagsschule für das beste Ganztagsmodell
47 Prozent der befragten Schulleiter und Lehrer gaben an, dass sie von den drei Varianten der Ganztagsschule – gebunden, teilgebunden, offen – das gebundene Modell für das bestmögliche halten. Bei der gebundenen Ganztagsschule nehmen Schüler an mindestens drei Wochentagen für jeweils mindestens sieben Zeitstunden die Angebote der Schule wahr. 22 Prozent der Lehrkräfte sprachen sich für die teilgebundene, 19 Prozent für die offene Variante aus. Bei der offenen Ganztagsschule handelt es sich um ein für die Schülerschaft freiwilliges Ganztagsangebot.

Ein interessanter Aspekt liegt in der Analyse der Zufriedenheit mit den einzelnen Ganztagsmodellen: Von den befragten Schulleitern und Lehrern aus gebundenen Ganztagsschulen sprachen sich 78 Prozent für das gebundene Modell aus; 5 Prozent für die teilgebundene Variante. Von den befragten Lehrern aus teilgebundenen Ganztagsschulen sehen 48 Prozent das teilgebundene Modell als das bestmögliche an, 35 Prozent jedoch favorisieren die gebundene Variante. Unter den befragten Lehrkräften aus offenen Ganztagsschulen sind 46 Prozent vom offenen Modell überzeugt, 18 Prozent halten die gebundene sowie 14 Prozent die teilgebundene Variante für die bestmögliche.

Tabelle: Favorisiertes Ganztagsschul (GTS)-Modell nach Schularten

Favorisiertes GTS-Modell
Befragtegebundene GTS      teilgebundene GTS      offene GTS      
gebundene GTS78%5% k.A.
teilgebundene GTS     35%48% 9%
offene GTS18%14%46%

„Dem Modell der gebundenen Ganztagsschule gelten die meisten Sympathien von Lehrern und Schulleitern. Dabei sind nicht nur Lehrkräfte, deren Schule das gebundene Ganztagsmodell bereits anbietet, von der gebundenen Variante überzeugt – viele Lehrer auch aus offenen und teilgebundenen Ganztagsschulen sehen das gebundene Modell als das bestmögliche an“, sagt John-Philip Hammersen, Geschäftsführer der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung.

Lehrermeinungen: Stärkere Rhythmisierung (gebunden) vs. Möglichkeit für außerschulische Betätigungen (offen)
Eine Vielzahl von Lehrern spricht sich für die gebundene Ganztagsschule aus, weil dadurch der Tagesablauf besser an die Bedürfnisse der Schüler angepasst werden könne und ein besseres soziales Miteinander, beispielsweise durch gemeinsame Freizeitaktivitäten, möglich sei. Zudem wurde angeführt, dass gerade auch Kinder aus eher bildungsfernen Elternhäusern dadurch besser gefördert werden könnten. Für eine offene Variante spricht aus Sicht von Lehrern, dass Schüler dadurch die Möglichkeit hätten, sich auch außerschulisch zu betätigen, zum Beispiel in Vereinen. Eltern sollte zudem nicht die Wahlmöglichkeit genommen werden, Kinder selbst am Nachmittag zu betreuen.

„Unsere Erfahrungen im Wettbewerb ‚Starke Schule‘ sprechen ganz klar für den gebundenen Ganztag. Denn nur so kann eine sinnvolle Rhythmisierung des Unterrichts funktionieren. Auch die Berufsorientierung kann dadurch mehr Raum und Gewicht im Schulalltag erhalten“, erklärt John-Philip Hammersen.

Regionale Wirtschaft bietet Unterstützung zur Berufsorientierung an Schulen – Lehrer wünschen Ausbau des Angebots

Ein wichtiges Thema an Schulen ist die Berufsorientierung für Schüler. Gerade im Rahmen der Ganztagsschule wird eine Vielzahl von Maßnahmen zur Berufsorientierung angeboten. Aus Sicht der befragten Lehrer sind Unternehmen dabei bereits stark engagiert: 72 Prozent der Befragten gaben an, dass sie von der regionalen Wirtschaft bereits hilfreiche Unterstützung erhalten hätten. Auch Stiftungen und private Akteure (53 Prozent) sowie lokale Bildungsreinrichtungen (44 Prozent) engagierten sich.

Gleichwohl ist der Wunsch nach mehr Unterstützung durch externe Akteure vorhanden: Nur 27 Prozent der Lehrkräfte gaben an, dass sie keine Unterstützung benötigen – drei Viertel der Befragten wünschen sich demnach mehr Engagement von extern. 37 Prozent der Lehrer sehen dabei die regionale Wirtschaft noch stärker in der Pflicht, aber auch das zuständige Kultusministerium (25 Prozent) sowie die Kommune (24 Prozent). Ganz oben auf der Wunschliste der Lehrer steht ein Ausbau des Angebots von Praktikums- und Ausbildungsplätzen. Auch sollten Informationen der Unternehmen zur Berufsorientierung stärker „handlungsorientiert“ sein. Die Unternehmen sollten sich noch häufiger direkt an Schulen mit möglichen beruflichen Angeboten präsentieren. Von den Kultusministerien und Kommunen wünschen sich Schulleiter und Lehrer vor allem die Bereitstellung von mehr finanziellen und personellen Ressourcen, aber auch Unterstützung bei der Vernetzung mit Akteuren wie Unternehmen, Verbänden und Institutionen.

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