Armbewegungen von Schlaganfallpatienten können in Musik umgesetzt und so hörbar gemacht werden. Das wollen die Neurologische Uniklinik und das Hertie-Institut für Klinische Hirnforschung in Tübingen gemeinsam mit der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover und der Popakademie Baden-Württemberg in der Schlaganfall-Therapie einsetzen. Ziel der Studie „Bewegungsverklanglichung“ ist eine verbesserte Rehabilitation der Armmotorik bei Schlaganfallpatienten. Denn bei etwa 30 % dauerhaft pflegebedürftigen Betroffenen wird die Erforschung von Rehabilitationsmaßnahmen immer wichtiger. Die Gemeinnützige Hertie-Stiftung fördert das Projekt mit 211.000 €. Es ist das erste Projekt des neuen Exzellenzprogrammes „cortexplorer“ das hochinnovative Projekte mit dem Potenzial zu Durchbrüchen im Bereich der Hirnforschung fördern will.
Bisher wird das Wiedererlernen von gezielten Armbewegungen nach einem Schlaganfall mit Methoden wie z.B. durch Berührung von Zielfeldern und Versetzen von Bauklötzen erreicht, bei denen die Kontrolle primär über das Sehsystem erfolgt. Aktuelle neurowissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass Bewegungen durch eine Kombination verschiedener Sinneswahrnehmungen wie Hören, Sehen und Körperwahrnehmung, gesteuert werden. „Daher sollte sich die Effizienz von motorischen Therapie- und Lernprozessen über die erweiterte Einbindung von musikalischen Stimuli in die Bewegungswahrnehmung deutlich steigern lassen“, sagt Professor Ulf Ziemann, Vorstand am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH) und Ärztlicher Direktor, der Abteilung Neurologie mit Schwerpunkt neurovaskuläre Erkrankungen, Universitätsklinik Tübingen. Durch einen Schlaganfall verloren gegangene Bewegungsmuster müssten sich mit Unterstützung durch das Hörsystem und andere Musik verarbeitende Teile des Gehirns demnach schneller und zuverlässiger wieder neu erlernen lassen, so die Idee.
Gezielte Armbewegungen mit Musik
Erreicht werden soll dies mit Hilfe von Bewegungssensoren, die an Ober- und Unterarmen angebracht werden. Armbewegungen des Patienten werden von ihnen registriert. Die Daten werden in Echtzeit an einen Computer übertragen und von diesem in Töne umgesetzt. Je nachdem wie die Probanden den Arm bewegen, ändert sich die Tonhöhe und die Klangpositionierung. Durch diese zusätzliche akustische Rückmeldung lernt der Studienteilnehmer seinen Arm besser zu kontrollieren und gezielt zu bewegen. Geübt wird zu Beginn die Tonleiter, hoch und runter, später versuchen sich die Probanden an kleinen Melodien. Sie hören, wenn sie die Übung gut ausgeführt haben - dieses Erfolgserlebnis erhöht zusätzlich ihre Motivation. „Mit dem Programm „cortexplorer“ wollen wir mutigen und durchaus auch riskanten Ansätzen in der Hirnforschung, die neue Perspektiven in gesellschaftlich relevanten Feldern eröffnen können, eine Chance geben. Wir glauben, dass das Sonifikationsprojekt das Potenzial hat, einen völlig neuartigen und wirkungsvollen Weg in der Rehabilitationsmedizin zu eröffnen“, sagt Professor Michael Madeja, Geschäftsführer, Hochschule und Neurowissenschaften der Gemeinnützige Hertie-Stiftung in Frankfurt.
Alleine in Deutschland erleiden jährlich rund 250.000 Menschen einen Schlaganfall. Er ist die häufigste Ursache für eine anhaltende Behinderung. Sensorische und motorische Beeinträchtigungen zählen zu den häufigsten Folgen.
Die neue Studie im Exzellenzprogramm cortexplorer läuft über drei Jahre. Erste Tests mit Probanden starten nun an der Universitätsklinik Tübingen.
Weitere Informationen unter <link unsere-arbeitsgebiete neurowissenschaften cortexplorer>www.ghst.de/unsere-arbeitsgebiete/neurowissenschaften/cortexplorer/
Pressekontakt
Gabriele Völcker
Kommunikation
Gemeinnützige Hertie-Stiftung
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