Interview mit Dr. Christiane Gasperi
Warum wir Forschung betreiben und was das Schöne daran ist
Was hat Sie dazu bewegt, in die klinische Hirnforschung zu gehen?
Die Neurologie übt aufgrund der Tatsache, dass die Funktionen des Nervensystems immer noch nicht in Gänze verstanden sind, eine besondere Faszination auf mich aus. Die klinische Forschung hat das Potential, sich - wenn auch nicht unmittelbar, dann zumindest in nicht allzu weiter Ferne - auf das Leben der Personen mit neurologischen Erkrankungen positiv auszuwirken. Dieses Ziel vor Augen zu haben, ist eine besonders bereichernde Motivation.
Einfach erklärt: Woran arbeiten Sie momentan? Was wollen Sie damit erreichen?
Aktuell arbeite ich an verschiedenen Projekten zur Multiplen Sklerose, bei denen wir unter anderem die Zusammensetzung der Proteine im Nervenwasser von Personen mit Multipler Sklerose, den Einfluss von Genen auf diese Proteine und in anderen Projekten die Nutzung des Gesundheitssystems von Personen mit Multipler Sklerose untersuchen. Letztlich geht es bei diesen Projekten darum zu verstehen, warum die Erkrankung bei verschiedenen betroffenen Personen so unterschiedlich verlaufen kann und ob es Möglichkeiten gibt, den Verlauf möglichst früh vorherzusagen und dies für Therapieentscheidungen nutzbar zu machen.
Wie motivieren Sie sich, wenn es gerade nicht so vorangeht, wie Sie es möchten?
In der Forschung geht es leider relativ häufig nicht so voran, wie man es gerne möchte. Daran habe ich mich mittlerweile schon gewöhnt. Es hilft mir, wenn ich dann ein bisschen Abstand von dem einen Projekt gewinne und erstmal für ein paar Tage an etwas anderem arbeite. Das ermöglicht mir, schon nach kurzer Zeit wieder mit neuer Motivation und eventuell auch neuen Ideen an das Projekt zurückzukehren. Außerdem helfen mir Gespräche mit befreundeten Ärzten/-innen und Wissenschaftlern/-innen – in solchen Gesprächen wird mir wieder bewusst, warum wir Forschung betreiben und was das Schöne daran bzw. was letztlich das Ziel der klinisch orientierten Forschung ist. Manchmal brauche ich aber auch wirklich Abstand zu meinem Beruf – dann sind ein paar Tage Urlaub und möglichst viel Zeit in der Natur für mich das Beste.
Welche Wissenschaftlerin/welchen Wissenschaftler aus Vergangenheit oder Gegenwart würden Sie gerne einmal treffen und warum? Oder lieber jemand anderes, außerhalb des Wissenschaftskosmos?
Eine Frau, die mich schon in meiner Schulzeit fasziniert hat, ist die französische Schriftstellerin und Philosophin Simone de Beauvoir. Mit ihr würde ich mich gerne über ihr Leben unterhalten und darüber, wie sie ihre eigenen Werke interpretieren würde. Ihre Texte zu den Geschlechterrollen sind auch mehr als 50 Jahre später noch von großer Relevanz. Auch in der Medizin und in der Wissenschaft gibt es bezüglich Gleichberechtigung noch unheimlich viel zu tun.
Hertie Network
Das Hertie Network of Excellence in Clinical Neuroscience und die Hertie Academy of Clinical Neuroscience fördern und vernetzen exzellente Neurowissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler. Mehr Informationen dasrüber finden Sie auf der Projektseite.
Was möchten Sie während Ihrer Zeit im Hertie Network noch erreichen oder erleben?
Das Hertie Network ist eine exzellente Möglichkeit für mich, junge Forschende aus ganz Deutschland kennen zu lernen und mich mit ihnen auszutauschen. Ich bin überzeugt davon, dass der Austausch mit Menschen, die sich in ähnlichen Lebenssituationen befinden wie ich, sehr wertvoll ist. In der letzten Zeit fanden aufgrund der aktuellen Pandemie die meisten Treffen leider virtuell statt. Ich hoffe, während meiner Zeit im Hertie Network noch an einigen persönlichen Treffen teilnehmen zu können. Außerdem würde ich mir wünschen, das Hertie Network auch für die Entwicklung von Kooperationen nutzen zu können.