Interview mit Cordula Weinmann
Wir sind endlich raus aus der Klimablase und erreichen nun auch Menschen der Generation 50+, die bisher mit dem Klima nicht viel am Hut hatten.
"Mein Ziel ist es, dass der Name Omas for Future irgendwann auch in einem 5.000 Einwohner-Ort bekannt ist. Dafür müssen wir kurbeln."
Um die Erde für ihre Enkelkinder zu bewahren, und der Generation 50+ im Kampf gegen den Klimawandel eine Stimme zu geben, gründete Cordula Weimann (62) aus Leipzig 2019 die Initiative „Omas for Future“ - und begeistert mit ihrer Idee seitdem Menschen jeden Alters. Nicht ohne Folgen: In diesem Jahr belegte das Projekt den mit 20.000 Euro dotierten 2. Platz des MITWIRKEN Crowdfunding-Contests der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung. In dem vierwöchigen Contest war es „den Omas“ gelungen, bundesweit 26.000 Euro von ihren Unterstützenden einzusammeln. Zusätzlich zu den Geldern der Crowd erhielten die 20 erfolgreichsten Projekte, die sich für gelebte Demokratie engagieren, insgesamt 200.000 Euro Preisgelder von der Hertie-Stiftung. Was sich seit dem MITWIRKEN Crowdfunding-Contest bei Omas for Future alles getan hat, und welche Pläne Cordula Weimann schmiedet, erzählt sie in diesem Interview.
Frau Weimann, Ihr Terminkalender ist randvoll, man bekommt Sie kaum ans Telefon - was ist los bei den Omas for Future?
Im Moment ist es wirklich der Wahnsinn, wir Omas kommen kaum noch hinterher. Seit der Aktion „Klimabänder“, die wir durch das MITWIRKEN-Crowdfunding der Hertie-Stiftung auf den Weg bringen konnten, sind wir nur noch unter Dampf: Wir geben Interviews, beantworten Fragen zu den Regionalgruppen, verschicken Infomaterial, organisieren Veranstaltungen und Workshops. Das fing schon zu Beginn des Crowdfundings im April an, auch mit den vielen Medienanfragen. Aber nachdem wir dann auch noch den 2. Platz beim Contest samt 20.000 Euro Preisgeld gewonnen hatten, waren wir mit einem Schlag auf der Bundesebene angekommen. Bis September gab es rund 300 Presseartikel über uns, vor allem durch die Klimabänder-Aktion. Immer mehr Omas wollten bei uns mitmachen. Das geht bis heute so.
Das hört sich ja fast nach Stress an…
Nein, auf gar keinen Fall. Es ist zwar alles sehr viel Arbeit, aber wir sind so dankbar für die große Unterstützung und das Interesse. Unseren Verein gibt es erst seit zwei Jahren, und da kam der MITWIRKEN-Contest wie ein Joker, um uns nach vorn zu katapultieren. Wir sind endlich raus aus der Klimablase und erreichen nun auch Menschen der Generation 50+, die bisher mit dem Klima nicht viel am Hut hatten, und das ist unser Ziel.
Was ist die genaue Mission der Omas für Future?
Wir reden nicht, wir handeln – und das aus Liebe zum Leben, zu unserer Erde und zu unseren Kindern. Für sie gehen wir auf die Straße und setzen uns dafür ein, dass unsere Enkelkinder in einer gesunden Umwelt groß werden können. Wir sorgen uns um ihre Zukunft, das spornt uns an.
Wie sieht Ihre Arbeit konkret aus?
Das hängt von den jeweiligen Gruppen und den Frauen vor Ort ab. Manche stehen mit einem Stand in Fußgängerzonen oder gehen auf eine Klimademo, andere besuchen Schulen und bringen den Kindern das nachhaltige Nähen oder Töpfern bei. Wieder andere Gruppen pflanzen Bäume oder geben Workshops. Uns eint, dass wir den Einzelnen darüber informieren, was er in seinem Alltag tun kann, um das Klima und unsere Umwelt zu schützen. Jeder muss mit ins Boot, es reicht nicht, wenn die Politik die Weichen ändert, das dauert zu lange. Wir haben nur wenig Zeit, um die Klimawende hinzubekommen, und jeder von uns ist gefordert, ein Stück dazu beizutragen. Alle Gruppen versenden zum Beispiel unser kostenloses Quiz-Heftchen „Das 1 x 1 für unsere Zukunft“, in dem wir viele wertvolle Tipps geben, wie jeder in seinem Alltag etwas beitragen kann. Darin informieren wir sehr niederschwellig, denn nur so wird unsere Mission verstanden. Ein Beispiel: Wenn ich jemandem sage, dass er fast zwei große Mülltonnen mit CO2 füllt, sobald er fünf Kilometer mit dem Auto fährt, versteht das jeder und kann es ändern, indem er diese Strecke mit dem Rad fährt. Auch Wasser wird zunehmend knapper. Wenn Du ein Stück Rindfleisch von 250 Gramm durch Geflügel ersetzt, hast Du so viel Wasser gespart, um achteinhalb Stunden duschen zu können. Die meisten Älteren wissen nicht, wie einfach es ist im Alltag etwas für den Klimaschutz zu tun. Wir reden dabei nicht von der Apokalypse, wir motivieren die Menschen, etwas zu verändern.
Sind auch Opas mit dabei?
Selbstverständlich, wir haben viele Opas dabei, auch als Regionalgruppenleiter. Alle sind willkommen. In unseren Gruppen gibt es auch Frauen, die gar keine Kinder oder Enkelkinder haben.
Was hat es mit der Aktion „Klimabänder“ auf sich?
Die Klimabänder sind bunte Stoffbänder, auf die Bürgerinnen und Bürger ihre Klimaforderungen schreiben, zum Beispiel: „Weniger CO2 auf unseren Straßen“. Von Juli bis Anfang September haben wir für die Aktion rund 500 Veranstaltungen in 120 Orten in ganz Deutschland durchgeführt. Jeder konnte mitmachen und seinen Wunsch für den Klimaschutz aufschreiben, am Ende sind rund 15.000 Bänder zusammengekommen. Zur Bundestagswahl haben wir die Bänder auf Fahrrädern nach Berlin gebracht. Es war einfach wunderbar, dieses bunte Bändermeer vor dem sonst so grauen Hauptbahnhof zu sehen. In der Hauptstadt werden die Bänder in einem symbolischen Akt an die neue Bundesregierung übergeben, darauf freuen wir uns schon. Die Aktion wird im nächsten Jahr natürlich weitergehen, dann geht es um die Frage: „Was ist Dein Versprechen an die Erde? Was änderst Du für unsere Zukunft?“
"Wir haben so viel Zuspruch, dass wir heute ganz anders vernetzt sind. Es gibt viele neue Kontakte zu anderen Demokratie-Initiativen, mit denen wir zum Teil sogar zusammenarbeiten."
Dann hat sich die Teilnahme an dem MITWIRKEN Crowdfunding-Contest für die Omas gelohnt?
Auf jeden Fall! Ohne MITWIRKEN hätten wir uns das Projekt „Klimabänder“ nicht zugetraut, uns fehlte einfach der Rückenwind und die Finanzkraft. Aber allein durch das Crowdfunding hatten wir auf einen Schlag eine so große Bekanntheit und konnten unseren neuen Kontakten gleich sagen: „Nun habt ihr schon Geld gespendet, macht doch gleich mit und sammelt Klimabänder.“ Wir haben so viel Zuspruch, dass wir heute ganz anders vernetzt sind. Es gibt viele neue Kontakte zu anderen Demokratie-Initiativen, mit denen wir zum Teil sogar zusammenarbeiten. Zudem profitieren wir von den verschiedenen thematischen Workshops- und Beratungsangeboten von MITWIRKEN. Das ist einfach unbezahlbar. Zwischen März und Oktober 2021 liegen für uns regelrecht Kontinente: Es sind etwa 30 neue Regionalgruppen dazu gekommen, so dass wir jetzt bundesweit fast 70 Gruppen haben. Es gibt rund 300 bis 400 aktive Mitglieder, also keine Karteileichen, sondern Menschen, die auch bei Regen auf die Straße gehen. Wir haben über 20.000 Umwelt-Quiz-Heftchen verschickt, und die Nachfrage ist immer noch riesengroß. Wir merken einfach, dass das Interesse an uns zugenommen hat, und dass wir im Alltag der Älteren wirklich etwas bewirken können, zum Beispiel, wenn eine „neue“ Oma in unserer Telegram-Chatgruppe fragt: „Was! Butter ist ein schlimmer Klimasünder - was soll ich denn jetzt nehmen?“, und sofort drei Omas tippen: „Nimm Alsan, das ist eine Bio-Margarine mit Buttergeschmack.“
Wie erreichen Sie eigentlich die Älteren, die sich auf einen Lebensabend mit Kreuzfahrt, Flugreise und Grillwürstchen freuen – oder sogar schon mittendrin sind?
Das ist nicht immer einfach. Auch von meinen Freundinnen finden viele „ganz toll“, was ich bewirke, aber mitmachen wollen dann doch nicht alle. Und nach Interviews sehe ich mich oft mit Shitstorms konfrontiert, die meine Würde als Frau beleidigen. Ich versuche dann immer, mich von den bösen Worten nicht beeindrucken zu lassen, auch wenn das nicht immer leicht ist. Wir Omas wollen schließlich niemandem etwas wegnehmen. Es geht nicht um Verzicht. Wir wollen den Menschen nur bewusst machen, dass wir für das Klima und die Umwelt etwas tun müssen, weil unsere Lebensgrundlage davon abhängt - und erst recht die der Menschen, die wir am meisten lieben. Politik und Wirtschaft müssen neue Weichen stellen, doch wir Älteren müssen auch dabei sein. Ohne uns kann es nicht klappen, denn wir sind mit 56 Prozent die größte Wählergruppe in unserer Demokratie. Mir ist bewusst, dass ich nicht alle erreichen kann, viele Seniorinnen und Senioren haben Angst vor der Zukunft, stecken deshalb in alten Vorstellungen fest. Doch Leben ist Entwicklung, ganz besonders im Moment. Dafür stehen wir, darum sind wir die Omas der Zukunft. Wir wissen, dass wir noch etwas bewegen können und ruhen uns nicht auf unserem Altenteil aus. Unsere Gemeinschaft wächst, und ich bin sicher: Wir werden irgendwann die Mehrheit sein.
Waren Sie schon immer so quirlig, was haben Sie beruflich gemacht?
Ich habe Wirtschaftswissenschaften studiert und später in der Denkmalpflege alte Häuser saniert. Also eher ein gesetzter Job. Über 35 Jahre war ich in dem Bereich als selbstständige Unternehmerin tätig. Inzwischen habe ich mich aus dem Berufsleben zurückgezogen und bin die ganze Woche für die Omas im Einsatz. Und natürlich für meine drei Töchter und meine drei Enkelkinder.
MITWIRKEN. Das Hertie-Förderprogramm für gelebte Demokratie
Die Hertie-Stiftung sucht mit dem Förderprogramm MITWIRKEN Projekte und Initiativen, die sich für ein demokratisches Miteinander in unserer Gesellschaft einsetzen. Das kann auf unterschiedliche Art und Weise passieren, in dem Dialog mit Mitmenschen und der Politik organisiert, sich für freie Meinungsäußerung stark gemacht sowie sich für eine vielfältige Gesellschaft einsetzt wird. Auch die Vermittlung von demokratischen Werten, das Schaffen von Transparenz und die Gestaltung von Partizipation leisten einen wichtigen Beitrag für das Zusammenleben in unserer Demokratie.
Ihr Herz für den Klimaschutz haben Sie erst mit Anfang 60 entdeckt. Warum eher spät?
Ich wusste es nicht besser. Ich habe mich zwar schon immer biologisch ernährt, weil ich die Gifte in meinem Körper nicht wollte. Aber dennoch bin ich flott mit meinem Sportwagen unterwegs gewesen und in den Urlaub geflogen. Ich hatte einfach keine Ahnung, wie schlimm es wirklich um unsere Erde steht. Dann habe ich mich mit dem Thema beschäftigt, und es hat mich gepackt. Zunächst fühlte ich mich hilflos und glaubte, dass die Jugend auf die Straße gehen müsste, um das Problem zu lösen. Aber das stimmt nicht, wir Älteren können auch etwas erreichen. Wir Omas gestalten mit unserer Lebenserfahrung, denn wir wissen, dass Konsum nur zu einem ganz kleinen Anteil glücklich macht. Der Rest des Glücks kommt durch die Begegnung mit der Natur und mit den Menschen.
Was liegt bei „den Omas“ als nächstes an?
Im November treffen sich Vertreterinnen der Gruppen für drei Tage in Frankfurt, um die nächsten Monate zu planen, damit wir alle gestärkt in das Jahr 2022 gehen können. Es gibt viel zu tun: Wir brauchen neue Strukturen, eine neue Webseite, mehr Mitarbeitende. Im Moment hoffe ich, dass die Förderungen, die wir für das Jahr 2022 beantragt haben, auch zustande kommen, und dass wir weiterwachsen können. Mein Ziel ist es, dass der Name Omas for Future irgendwann auch in einem 5.000 Einwohner-Ort bekannt ist. Dafür müssen wir kurbeln. Mir ist klar, dass es für alle gesünder wäre, langsam zu wachsen, aber unsere Erde leidet - wir haben keine Zeit.
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INFO Das Interview führte Rena Beeg für die Gemeinnützige Hertie-Stiftung