Tübingen, den 26.10.2021 - Seit 20 Jahren werden am Tübinger Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH) das Gehirn und seine Erkrankungen erforscht. Ziel ist es, neue und wirksamere Strategien der Diagnose, Therapie und Prävention zu ermöglichen. Die enge Verknüpfung des Forschungsinstituts mit der Neurologischen Universitätsklinik unter dem Dach des Zentrums für Neurologie sorgt dafür, dass wissenschaftliche Erkenntnisse rasch in die klinische Praxis überführt werden können. So profitieren etwa Patientinnen und Patienten der Neurologischen Universitätsklinik von der fortschreitenden Entdeckung krankheitsauslösender Gendefekten. Das Wissen hilft, sie mit einer maßgeschneiderten Therapie zu behandeln. Das HIH gilt bundesweit als Vorreiter einer erfolgreich gelebten Translation in der Neuromedizin. Dieses Jahr feiert es nun sein 20-jähriges Bestehen. Um auch künftig den Herausforderungen der klinischen Hirnforschung optimal zu begegnen, wird das HIH sein Forschungsspektrum erweitern.
„Seit 20 Jahren leisten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hertie-Instituts hervorragende Arbeit. Das Institut hat sich im Bereich der Neurowissenschaften einen exzellenten Ruf erworben. Die Förderung des Landes dokumentiert, welch hohen Stellenwert das Institut selbst, aber auch das Engagement der Hertie-Stiftung im Land genießt“, sagte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer.
„Die Neuromedizin der Zukunft beruht auf einem besseren Verständnis der molekularen und elektrophysiologischen Prozesse auf Zellebene und im Gesamtsystem Gehirn“, erklärt HIH-Vorstandsvorsitzender Professor Dr. Thomas Gasser. „In unserer alternden Gesellschaft ist außerdem der Schritt von der kurativen zur präventiven Medizin von großer Bedeutung. Den Menschen ist am besten geholfen, wenn sie gar nicht erst krank werden.“
Das HIH plant daher künftig stärker als bisher Strategien zur Früherkennung, Prävention und Rehabilitation neurologischer Erkrankungen zu entwickeln. Der Fokus liegt dabei auf der systembasierten Neuromedizin sowie der sogenannten personalisierten Medizin. Der erste Ansatz zielt darauf ab, das erkrankte Gehirn oder Nervensystem als Ganzes zu behandeln, etwa mit Hilfe von Neuroprothesen. Im zweiten Ansatz hingegen wird die zugrundeliegende Krankheitsursache – etwa ein Gendefekt – auf die erkrankte Person zugeschnitten therapiert. Da Fortschritte in der modernen Biomedizin auf die Nutzung immer größerer Datenmengen in Labor und Klinik beruhen, wird das Institut zudem den Bereich der Digitalisierung stärken und Methoden des Maschinellen Lernens und der Künstlichen Intelligenz integrieren.
Seit seiner Gründung vor 20 Jahren ist das HIH stark gewachsen. Was mit Aushilfslaboren und einer Baustelle auf der grünen Wiese begann, hat sich in eine Forschungseinrichtung auf Augenhöhe mit anderen großen Zentren für Hirnforschung in Europa entwickelt. So hat sich die Zahl der Mitarbeitenden verdreifacht, das Drittmitteleinkommen vervierfacht und aus vier sind heute sechs Abteilungen geworden. Ihre Schwerpunkte reichen von Schlaganfall, Parkinson, Epilepsie über Hirntumore hin zu Alzheimer und decken die gesamte Bandbreite neurologischer Erkrankungen ab.
Die Forschenden am HIH haben mehrfach bahnbrechende Entdeckungen gemacht. So ist es ihnen etwa gelungen, einen Biomarker zu identifizieren, mit dem die Alzheimer-Erkrankung bereits in sehr frühen Phasen durch einen simplen Bluttest nachgewiesen werden kann. Sie fanden ebenfalls eine ganze Reihe von Gendefekten, die zu Epilepsien, Parkinson oder seltenen neurodegenerativen Erkrankungen führen. Fundamental neu ist auch der Ansatz, das erkrankte Gehirn zeitlich synchronisiert zu seinem inneren Erregungszustand zu stimulieren. Die Methode erwies sich bei der Rehabilitation einzelner Schlaganfallpatientinnen und -patienten mit Hand- oder Armlähmungen als sehr erfolgreich und wird aktuell in größeren Studien erprobt und ihre Anwendung für weitere Netzwerkerkrankungen des Gehirns geprüft. Langfristig soll ein Stimulationshelm entwickelt werden, mit dem Patientinnen und Patienten im Klinikalltag unkompliziert behandelt werden können.
„Das Hertie-Institut für klinische Hirnforschung ist die wichtigste Initiative innerhalb unseres Bereiches Gehirn erforschen“, sagt Frank-Jürgen Weise, Vorstandsvorsitzender der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, die das Institut seit seiner Gründung mit mehr als 55 Millionen Euro unterstützt hat. „Die Forschungserfolge und internationale Reputation bestätigen, dass mit der gemeinsamen Gründung des HIH als Public-Private-Partnership und seiner Department-Struktur ein starker Impuls zur Erneuerung der Forschungslandschaft in Deutschland gelungen ist. Ich bin überzeugt von der Zukunftsfähigkeit dieses Modells und gratuliere zu 20 Jahren Spitzenleistungen auch im Namen der gesamten Stiftung“, so Weise.
Das HIH feiert sein 20-jährigen Jubiläum mit einer digitalen Festwoche ab Montag, 25. Oktober 2021 auf seiner Webseite (www.hih-tuebingen.de). Die Feierlichkeiten in Präsensform werden aufgrund der aktuellen Situation auf nächstes Jahr verschoben.
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Das Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH) wurde 2001 von der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, dem Land Baden-Württemberg, der Eberhard Karls Universität und ihrer medizinischen Fakultät sowie dem Universitätsklinikum Tübingen gegründet. Das HIH beschäftigt sich mit einem der faszinierendsten Forschungsfelder der Gegenwart: der Entschlüsselung des menschlichen Gehirns. Im Zentrum steht die Frage, wie bestimmte Erkrankungen die Arbeitsweise dieses Organs beeinträchtigen. Dabei schlägt das HIH die Brücke von der Grundlagenforschung zur klinischen Anwendung. Ziel ist, neue und wirksamere Strategien der Diagnose, Therapie und Prävention zu ermöglichen. Derzeit sind 19 Professorinnen und Professoren, 28 Forschungsgruppen und rund 430 Mitarbeitende am Institut beschäftigt. Mehr Informationen unter: www.hih-tuebingen.de
Das 1805 gegründete Universitätsklinikum Tübingen (UKT) gehört zu den führenden Zentren der deutschen Hochschulmedizin und trägt als eines der 35 Universitätsklinika in Deutschland zum erfolgreichen Verbund von Hochleistungsmedizin, Forschung und Lehre bei. 2001 gründete es zusammen mit der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung und der Eberhard Karls Universität das Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH), mit dem Ziel, die Ergebnisse der exzellenten neurowissenschaftlichen Forschung rasch in die klinische Praxis zur Behandlung neurologischer und neurodegenerativer Erkrankungen zu überführen. Website: www.medizin.uni-tuebingen.de
Die Universität Tübingen gehört zu den elf deutschen Universitäten, die als exzellent ausgezeichnet wurden. In den Lebenswissenschaften bietet sie Spitzenforschung im Bereich der Neurowissenschaften, Translationalen Immunologie und Krebsforschung, der Mikrobiologie und Infektionsforschung sowie der Molekularbiologie. Weitere Forschungsschwerpunkte sind Maschinelles Lernen, die Geo- und Umweltforschung, Archäologie und Anthropologie, Sprache und Kognition sowie Bildung und Medien. Mehr als 27.600 Studierende aus aller Welt sind aktuell an der Universität Tübingen eingeschrieben. Ihnen steht ein Angebot von rund 330 Studiengängen zur Verfügung – von der Ägyptologie bis zu den Zellulären Neurowissenschaften.