5 Fragen an den preisgekrönten Parkinson-Forscher
Das Zusammenspiel von Hertie-Institut und Klinikum ist für meine Forschung essenziell
1. Sie wurden für die Entdeckung genetischer Risikofaktoren der Parkinson-Erkrankung ausgezeichnet, worum geht es da genau?
Als ich angefangen habe, mich mit diesem Thema zu beschäftigen - das ist jetzt immerhin 30 Jahre her und ich war Postdoc in einem Labor in Amerika - da hat mir ein berühmter Neurogenetiker gesagt: „Parkinson ist keine genetisch bedingte Erkrankung. Du verschwendest Deine Zeit.“ Heute wissen wir, dass es einen erheblichen genetischen Beitrag zum Parkinson gibt. Der kann sehr unterschiedlich sein. Bei relativ wenigen Patienten gibt es eine oder ganz wenige Mutationen, die einen starken Effekt haben. Aber auch bei allen anderen gibt es genetische Varianten, die das Risiko zu erkranken zum Teil gering oder auch deutlich stärker, zum Beispiel um den Faktor zwei, drei oder sogar fünf erhöhen können. Das Ganze bildet ein Wirkungsnetzwerk von genetischen Veränderungen, die am Ende bestimmen, ob jemand über die Schwelle kommt und dann Parkinson bekommt oder nicht.
Zu diesem Ergebnis sind wir gekommen, weil wir ein paar Familien identifizieren konnten, bei denen offensichtlich war, dass in mehreren Generationen mehrere Personen an Parkinson erkrankt sind. Das ist noch kein Beweis, aber zumindest ein Hinweis, dass die Ursache genetisch bedingt sein könnte. In solchen Familien kann man mit bestimmten Methoden prüfen, ob alle Betroffenen bestimmte Abschnitte auf ihren Chromosomen gemeinsam haben. Wenn dann fünf, acht oder zehn Mitglieder einer Familie alle das gleiche Stückchen gemeinsam haben, und alle von einer bestimmten Erkrankung betroffen sind, dann wird es ziemlich wahrscheinlich, dass die genetische Ursache in diesem kleinen Stückchen liegt. Genauso haben wir das gemacht, und nach etwa zehn Jahren – so lange hat es damals gedauert - haben wir tatsächlich eine Mutation in einem Gen gefunden, die in dieser speziellen Familie dann für genau diese Parkinson-Erkrankung verantwortlich ist.
2. Bestimmte Gen-Mutationen lösen Parkinson unweigerlich aus. Was bedeutet das für künftige Therapieansätze?
Parkinson ist bislang nicht heilbar, und die derzeit verfügbaren Therapien wirken nur symptomatisch und setzen nicht bei den Wurzeln der Erkrankung an. Deshalb können sie die Abbauprozesse im Gehirn auf Dauer nicht aufhalten. Die besagten Mutationen, die wir entdeckt haben, betreffen die Gene LRRK2 (ausgesprochen „LARK2“) und GBA1. Jedes dieser Gene enthält den Bauplan für ein bestimmtes Enzym, das aufgrund der Mutation nicht optimal funktioniert und sogar Schaden in den Nervenzellen anrichtet. Beide Genmutationen sind zum einen für die „familiäre“ Form von Parkinson, die oft schon vor dem 50. Lebensjahr auftritt, relevant sowie auch für die „sporadische“ Form, die meist im Alter ab 60 Jahren einsetzt. Aus unseren Befunden über die Gene LRRK2 und GBA1 ergeben sich nun Ansatzpunkte für Behandlungen, die auf molekulare Ursachen abzielen und denen bereits verschiedentlich nachgegangen wird. Wir werden künftig also in die Entstehung der Parkinson-Erkrankung eingreifen, statt nur die Symptome wie das typische Zittern, Muskelsteifheit oder Gleichgewichtsstörungen zu behandeln. Ich bin sogar zuversichtlich, dass es eines Tages möglich sein wird, den Ausbruch der Parkinsonkrankheit zu verzögern, ganz zu verhindern, oder zumindest ihr Fortschreiten zu verlangsamen.
"Ich bin sogar zuversichtlich, dass es eines Tages möglich sein wird, den Ausbruch der Parkinsonkrankheit zu verzögern, ganz zu verhindern, oder zumindest ihr Fortschreiten zu verlangsamen. "
3. Welche Rolle spielt die Anbindung des HIH an das Tübinger Universitätsklinikum für Ihre Forschung?
Ich würde sagen, es ist essenziell. Denn diese Forschung beruht darauf, dass wir einerseits Patienten sehen, untersuchen, ihnen Blut abnehmen, dann die DNA isolieren und diese weiter untersuchen. Diese DNA wird dann auch in großen weltweiten Kohorten untersucht. Das heißt, das sind dann nicht nur unsere vielleicht 3.000 Patientinnen und Patienten in einer lokalen Kohorte, sondern wenn international etwa zehn oder 20 Zentren daran teilnehmen, dann sind es eben bis zu 50.000 Patienten. Dafür ist es aber immens wichtig, dass es vor Ort diese enge Verbindung zwischen Forschung und Patientenversorgung gibt, denn nur so kommt man an die Patienten und an die Kohorten. Und das ist im Grunde das Modell des HIH.
4. Mit Ihnen wurden zwei weitere Parkinson-Forschende aus den USA ausgezeichnet. Wie muss man sich Ihre Zusammenarbeit vorstellen?
Andrew Singleton ist Neurogenetiker und wir kennen uns schon viele Jahre. Gemeinsam haben wir 2009 das Internationale Parkinson-Genetik-Forschungsnetz gegründet. Wir sitzen beide in den Leitungsgremien und haben über Videokonferenzen häufig Kontakt. Wir treffen uns auch auf jährlichen Meetings persönlich. Ähnlich ist es mit Ellen Sidransky. Sie hat die klinischen und genetischen Untersuchungen geleitet, die zur Entdeckung der GBA-Mutationen als Parkinson-Ursache geführt haben. Wir in Tübingen haben als eines von mehreren Zentren daran teilgenommen. Das heißt, wir haben unsere Patienten nach denselben Methoden untersucht und nach denselben Gen-Varianten gesucht. Am Ende wurden alle Daten zusammengetragen und so kamen wir zu unserem Ergebnis.
5. Haben Sie schon Pläne für das private Preisgeld von einer Million US-Dollar?
Ehrlich gesagt, habe ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht. Das muss ich erstmal sacken lassen.
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INFO Das Interview führte Rena Beeg für die Gemeinnützige Hertie-Stiftung