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Interview anlässlich des Jubiläums 175 Jahre Paulskirche, Mai 2023

Für die Stadt und die Gesellschaft gilt: Mitgestalten, nicht bloß mitlaufen!

Die ehemalige Oberbürgermeisterin Petra Roth spricht über die historische Bedeutung der Paulskirche in Frankfurt am Main als Wiege der Demokratie und Symbol des demokratischen Neubeginns Deutschlands anlässlich des Jubiläums „175 Jahre Paulskirche“.
Demokratie stärken

Anlässlich des Jubiläums „175 Jahre Paulskirche“ sprechen wir mit Petra Roth, ehemalige Oberbürgermeisterin von Frankfurt am Main und ehemaliges Kuratoriumsmitglied der Hertie-Stiftung, über die historische und aktuelle Bedeutung dieses Ortes als Symbol der Demokratie. Sie erklärt die Rolle der Paulskirche im politischen Diskurs, die Verbindung der Verfassung von 1849 zu späteren deutschen Verfassungen und die Relevanz der Veranstaltung für die heutige Gesellschaft.

175 Jahre Paulskirche – was bedeutet so ein Jubiläum für eine Stadt wie Frankfurt?

Die Paulskirche steht in Frankfurt am Main! Hier wurden von der Nationalversammlung die Grund- und Freiheitsrechte der Demokratie debattiert: Dazu gehört die Meinungs- und Versammlungsfreiheit, die Abschaffung des Adelsstandes und daraus folgend die Gleichheit vor dem Gesetz. Das war seinerzeit revolutionär. Am Geist der Paulskirchenverfassung hat sich die ehemals freie Reichsstadt Frankfurt am Main ausgerichtet. Demokratische liberale Bürgerstadt! Die Frankfurter Paulskirche als Symbol dieser Bürgerrechte mahnte sie bis heute immer wieder an.

Es gab immer wieder Debatten um eine künftige Nutzung der Paulskirche - was steht für Sie im Vordergrund?

Die Frankfurter Paulskirche ist „die Wiege der Demokratie“, diese hohe Bedeutung soll sie weiterhin behalten. Die Paulskirche ist der Ort der freien Rede, des Diskurses der „Frankfurter Schule“, Ort der Verleihung des „ Friedenspreis des Deutschen Buchhandels“ seit 1950.

Braucht eine Gesellschaft Orte mit Symbolkraft?

Ja! Die in der Frankfurter Paulskirche diskutierte Verfassung von 1849 ist das Symbol des demokratischen Neubeginns Deutschlands, das demokratische Urgestein deutscher Verfassungen des 20. Jahrhunderts. Die Paulskirchenverfassung führt mit ihren Grundrechten direkt zur Weimarer Verfassung, der Gründung der Weimarer Republik und zum heutigen Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschlands.

Vermisst unsere heutige Demokratie Stabilität? Wird unsere Demokratie zu behäbig? Mit diesen Fragen ändert sich unser Blick auf die Geschichte. Für die Zukunft wird Neuordnung gefordert. Für die Stadt und die Gesellschaft gilt: Mitgestalten, nicht bloß mitlaufen!

Wie haben Sie die Paulskirche erlebt und genutzt in Ihrer Zeit als Oberbürgermeisterin?

Als den Festsaal der liberalen Bürgerversammlung, einem Ort von nationaler und internationaler Bedeutung, an dem sich Menschen begegnen, die sich den demokratischen Grundrechten über die aktuelle Tagespolitik hinaus verpflichtet fühlen! Das zeigt sich auch daran, dass die beim Oberbürgermeister liegende Entscheidung, an wen die Paulskirche für Veranstaltungen vergeben werde, auch den Beschlüssen des Magistrats und der Stadtverordnetenversammlung gerecht werden muss. Der Plenarsaal der Paulskirche hat politisches Potential!
 

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