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Interview mit Elisabeth Niejahr und Prof. Gerhard Hammerschmid, November 2024

Es gibt den Wunsch, mehr zu tun

Die Initiative für einen handlungsfähigen Staat fördert die Modernisierung der Verwaltung in Deutschland. Unterstützt von führenden Stiftungen, zielt sie auf mehr Effizienz und Vertrauen in den Staat. Im Interview sprechen Elisabeth Niejahr und Prof. Gerhard Hammerschmid über Ziele und Bedeutung des Vorhabens.
Demokratie stärken

Quick Read: Worum es geht

Die Initiative für einen handlungsfähigen Staat setzt sich für eine umfassende Reform der deutschen Verwaltung ein. Gegründet von prominenten Persönlichkeiten und unterstützt von namhaften Stiftungen, verfolgt sie das Ziel, die Demokratie durch eine leistungsfähige, digitalisierte und bürgernahe Verwaltung zu stärken. Die Initiative sieht jetzt einen besonders geeigneten Zeitpunkt für Reformen, da das Vertrauen in staatliche Institutionen schwindet und die Bereitschaft zur Veränderung wächst.

Die Initiative für einen handlungsfähigen Staat wurde von Medienmanagerin Julia Jäkel, den ehemaligen Bundesministern Peer Steinbrück und Thomas de Maizière sowie dem früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle ins Leben gerufen. Mit Unterstützung führender Stiftungen und unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier arbeiten sie gemeinsam mit über 50 Expertinnen und Experten daran, die deutsche Verwaltung zukunftsfähiger und effizienter zu gestalten.

Die Initiative wird finanziert und unterstützt durch die Gemeinnützige Hertie-Stiftung, die Fritz Thyssen Stiftung, die Stiftung Mercator und die ZEIT Stiftung Bucerius. Im Interview erläutern Elisabeth Niejahr, Geschäftsführerin der Hertie-Stiftung für den Bereich Demokratie stärken und Gerhard Hammerschmid, Professor für Verwaltungswissenschaft an der Hertie School und Leiter der Geschäftsstelle der Initiative, die Bedeutung dieses Vorhabens und die Chancen, die sich daraus für Deutschland ergeben.

Gemeinnützige Hertie-Stiftung: Frau Niejahr, Herr Hammerschmid, ein neues Projekt von Stiftung und School beschäftigt sich mit der Reform des Staates, und zwar auf sehr grundsätzliche Weise. Warum beteiligt sich die Hertie-Stiftung an diesem Vorhaben?

Elisabeth Niejahr: Die Akzeptanz einer Demokratie hängt unter anderem davon ab, wie Bürger ihren Staat und seine Repräsentanten erleben - zum Beispiel in Behörden, in Schulen oder auch bei der Polizei. Deshalb ist das Thema Gutes Regieren seit längerem schon ein Schwerpunktthema unseres Bereichs „Demokratie stärken“. Vertrauen erwirbt die Demokratie eben nicht nur durch Wahlen oder durch überzeugende Personen, sondern auch durch ihre Problemlösungskompetenz. Und weil insbesondere die Hertie School in diesem Bereich schon so lange aktiv ist und sogar einst gegründet wurde, um die Arbeit von Ministerien und Behörden zu verbessern, war für uns schnell klar, dass wir uns bei diesem Vorhaben gern einbringen.

Herr Hammerschmid, welche Rolle spielen die Hertie School und ihr Center for Digital Governance in diesem Projekt?

Gerhard Hammerschmid: Wir werden an der Hertie School die Initiative in organisatorischer und inhaltlicher Sicht bestmöglich begleiten und unterstützen. Dafür haben wir eine eigene Geschäftsstelle eingerichtet, die beispielsweise die Treffen der Arbeitsgruppen von rund 54 renommierten Experten in den kommenden Monaten flankiert. Wir können dabei auf die Erfahrungen und Kapazitäten des Centers for Digital Governance zurückgreifen, das wir in den letzten fünf Jahren an der School aufgebaut haben.

„Wenn den Bürgern so viel Veränderung abverlangt wird, können sie erwarten, dass auch der Staat mit voller Kraft an seiner Modernisierung auf allen Ebenen arbeitet.“ 

 Elisabeth Niejahr

Sie sind Experte für Verwaltungsforschung. Wo sehen Sie aktuell die größten Knackpunkte für den Zustand unserer Verwaltung?

Gerhard Hammerschmid: Ich sehe drei zentrale Themen: Erstens überholte Strukturen, sowohl bei der Binnenorganisation und Arbeitsweise von Verwaltungen als auch bei Koordination und Zusammenarbeit verschiedener Ebenen im föderalen Gesamtsystem. Zweitens müssen wir die Möglichkeiten der Digitalisierung in allen Verwaltungsbereichen, aber auch in der Politik viel konsequenter nutzen. Drittens muss die Verwaltung auch angesichts von demographischem Wandel und geänderter Arbeitswelt attraktiv und zukunftsfähig bleiben. Gerade in Hinblick auf modernes Personalmanagement und Führung sehe ich großen Veränderungsbedarf ...

Elisabeth Niejahr: ... der ja aktuell in allen Teilen der Gesellschaft zu spüren ist. Wenn aber den Bürgern so viel Veränderung abverlangt wird, können sie erwarten, dass auch der Staat mit voller Kraft an seiner Modernisierung auf allen Ebenen arbeitet.

Worin liegen aus Ihrer Sicht die Chancen, worin die Herausforderungen dieses Projektes?

Gerhard Hammerschmid: Für mich ist das Projekt eine einmalige Chance, konkrete und fundierte Impulse für eine Reform und Modernisierung von Staat und Verwaltung in Deutschland zu liefern. Die Expertise der beteiligten Akteure in Verbindung mit einem zunehmenden öffentlichen Bewusstsein und auch dem akuten Handlungsdruck für eine Staatsreform sehe ich als Chance. Herausforderungen gibt es natürlich auch viele - etwa die Aufgabe, die unterschiedlichsten Ideen und Vorschläge am Ende in einem schlüssigen Konzept zu integrieren. Durch die Regierungskrise ist das Zeitfenster, in dem wir zum Start einer möglichen neuen Regierung Impulse geben können, viel näher gerückt. Und natürlich sollen die Ergebnisse der Initiative möglichst wirkungsvoll in politische Programme und konkrete Veränderungsprozesse einfließen - auch das ist ein anspruchsvolles Ziel.

Elisabeth Niejahr: Ich setze darauf, dass gerade hier, bei Verwertung der Empfehlungen, die vier Stiftungen eine Rolle spielen und als Transmissionsriemen wirken können. Alle vier - Mercator, Thyssen, Bucerius und wir - haben ihre Netzwerke und können mit Veranstaltungen und guter Kommunikation helfen, damit die Empfehlungen nicht wie viele andere Berichte zwar aufwändig erarbeitet, aber dann wenig gelesen werden. In unserem Fall sind mögliche Ansprechpartner unter anderem diejenigen Absolventen der Hertie School, die einst in ihre Ausbildung mit Fragen von Good Governance befasst waren und heute im öffentlichen Sektor an ganz unterschiedlichen Stellen tätig sind.

Initiative für einen handlungsfähigen Staat – Reformen für eine starke Demokratie

Die Initiative für einen handlungsfähigen Staat verfolgt das Ziel, die Effizienz und Bürgernähe der deutschen Verwaltung durch umfassende Reformen zu stärken. Gegründet von Julia Jäkel, Peer Steinbrück,Thomas de Maizière und Andreas Voßkuhle, sollen die Expertinnen und Experten gemeinsam konkrete Ansätze erarbeiten, wie staatliche Strukturen in Deutschland zukunftsfähig gestaltet werden können. Die vier Initiatorinnen und Initiatoren werden dabei von einer Gruppe von über 50 erfahrenen Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft unterstützt.

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Warum ist jetzt ein geeigneter Zeitpunkt für das Projekt?

Elisabeth Niejahr: Die Fragilität der liberalen Demokratie beschäftigt gerade sehr viele Menschen. Wir spüren in vielen Projekten der Hertie-Stiftung momentan den Wunsch, mehr zu tun. Die vier Initiatoren der Initiative für einen handlungsfähigen Staat haben die gleiche Erfahrung gemacht, als sie ganz unterschiedliche Experten um die Mitarbeit baten. Das Ergebnis ist eine jetzt schon beeindruckende Liste von Unterstützern. Fast niemand hat abgesagt.

Gerhard Hammerschmid: Auch ich sehe im Moment ein vielversprechendes Window of Opportunity aufgrund der anstehenden Neuwahl sowie einer zunehmenden Kritik und Unzufriedenheit mit dem aktuellen Staats- und Verwaltungssystem. Beides sehen wir sowohl in der breiteren Öffentlichkeit als auch in der Verwaltung selbst. Dafür reicht ein Blick beispielsweise auf Ergebnisse unserer Verwaltungsbefragungen mit dem Deutschen Beamtenbund oder im Rahmen des Zukunftskongresses „Staat und Verwaltung“.

Was wünschen Sie sich – wann ist das Projekt ein Erfolg?

Gerhard Hammerschmid: Was ich mir wünsche ist ein Impact unserer Initiative in Form von konkreten Veränderungen im staatlichen System und der Verwaltung. Und zwar so, dass sie deren Leistungsfähigkeit stärken und damit auch das Vertrauen in staatliche Institutionen und die Demokratie.

Elisabeth Niejahr: Natürlich wünschen wir uns, dass gute Ideen nicht nur entwickelt, sondern am Ende auch umgesetzt werden. Daran mangelt es ja bisher. Für mich ist aber auch schon ein erster Erfolg, dass sich so eine breite Allianz für das Projekt zusammengetan hat. Das macht die Dringlichkeit des Anliegens deutlich.

INFO  Ein Interview der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung 

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