
Die Architektur der Freiheit instand halten
Noch nie zuvor war der Bereich „Demokratie stärken“ mit seinen verschiedenen Projekten so gefragt wie im Jahr 2024. Eine erfreuliche Nachricht? Auf den ersten Blick schon – stünden dahinter nicht durchaus besorgniserregende Gründe. Es geht ihr nämlich ganz allgemein nicht gut, der Demokratie. Das lässt sich unter anderem am globalen Demokratie-Index ablesen, den das britische Wochenmagazin „The Economist“ seit 2006 jährlich veröffentlicht. Die höchste Punktzahl erreicht hier jedes Jahr Norwegen; Deutschland bewegt sich durchweg noch im soliden Mittelfeld unter den derzeit 25 „vollständigen Demokratien“. Die USA hingegen sind mit stetig sinkender Tendenz bereits 2015 in die Kategorie der „unvollständigen“ abgerutscht. Wirklich signifikante Aufwärtstrends sind im gesamten Index eigentlich nirgends zu erkennen, im Gegenteil: Der globale Durchschnittswert sinkt. Es ist also weltweit nicht gut bestellt um die politische Architektur der Freiheit. Selbst da, wo sie klug geplant und auf einem soliden Fundament errichtet wurde, bleibt ihre Instandhaltung eine mühevolle Daueraufgabe. All jene, denen die „Herrschaft des Volkes“ zwar keineswegs als die perfekte, zumindest aber als die beste aller Regierungsformen erscheint, sollten angesichts dessen mehr als wachsam sein. Die gute Nachricht: Zumindest in Deutschland sind sie das wohl auch. Das bekam der Bereich „Demokratie stärken“ im Jahr 2024 jedenfalls deutlich zu spüren. Werfen wir also mal einen Blick auf das demokratische Instandhaltungsprogramm der Hertie-Stiftung in diesem ereignisreichen Jahr.
2024 und seine Lichtblicke
Elisabeth Niejahr, seit 2020 Geschäftsführerin des Bereichs, sieht im Jahr 2024 – trotz aller Krisen in der Welt und der vielen alten wie neuen Herausforderungen für die Demokratie – auch Entwicklungen, die ihr Hoffnung machen. Mit dem Regierungswechsel in Polen wurde deutlich, dass selbst für ein in Teilen bereits erheblich demoliertes Demokratiegebäude die Hoffnung auf Restaurierung besteht. Auch die Millionen Menschen, die – mobilisiert durch die Enthüllungen des investigativen Recherche-Netzwerks Correctiv – auf die Straße gingen, um ein deutliches Zeichen gegen Rechtsextremismus und für demokratische Werte zu setzen, waren für sie ein Anlass zur Zuversicht. „Die Gesellschaft macht sich offensichtlich Gedanken“, so Niejahr, „und das hat sich dann auch bei uns im Tätigkeitsbereich niedergeschlagen. Wir merken eigentlich in all unseren Projekten, dass sich die Menschen verstärkt für das Thema Demokratie interessieren.“ Noch nie gab es so viele Anfragen nach Partnerschaften, Austausch und Förderung wie im Jahr 2024 – und bei manchen Projekten blieb nur die Lösung, Wartelisten einzurichten.
»Die Gesellschaft macht sich offensichtlich Gedanken und das hat sich auch bei uns im Tätigkeitsbereich niedergeschlagen. Wir merken eigentlich in all unseren Projekten, dass sich die Menschen verstärkt für das Thema Demokratie interessieren.«
Elisabeth Niejahr, Geschäftsführerin Demokratie stärken

Den Hebel am effektivsten Punkt ansetzen
Dass die Hertie-Stiftung im Jahr 2024 ein so gefragter Ansprechpartner war, ist auch darauf zurückzuführen, dass sie bereits 2017 – früher als viele andere Stiftungen – zentrale Weichen gestellt und die Stärkung der Demokratie als einen ihrer beiden Schwerpunkte definiert hat. Einzelne Projekte in diesem Bereich, wie die Programme „Jugend debattiert“ oder „START“, laufen zudem schon seit über 20 Jahren. Diese Vorreiterrolle und der immense Erfahrungsschatz machen die Stiftung zu einem überaus glaubwürdigen Akteur und wertvollen Partner – auch für die Politik, mit der sie in vielen Projekten Berührungspunkte hat, dabei aber stets ihre Überparteilichkeit bewahrt. Auf Basis dieser langjährigen Erfahrung hat die Hertie-Stiftung zudem ein gutes Gespür dafür entwickelt, wo man ansetzen muss, um mit begrenzten Mitteln die größtmögliche Hebelwirkung zur Stärkung der Demokratie zu erzielen. Ein solcher Ansatzpunkt sind für sie heute jene Menschen, die von der gemeinnützigen Organisation „More in Common“ als das „unsichtbare Drittel“ bezeichnet werden. Mitbürgerinnen und Mitbürger also, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen nicht in politischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge eingebunden fühlen, die vielleicht verunsichert sind, aber längst noch nicht verloren für die Demokratie. Diese Menschen findet man natürlich nicht in den links-liberalen oder bildungsbürgerlichen Milieus, sondern eher in den Berufsschulen, im Handwerk oder in den Fabrikhallen. Deshalb suchte die Hertie-Stiftung im Jahr 2024 in der Demokratie- und Medienbildung noch gezielter die Nähe zu den nicht-gymnasialen Schulen, zu Verbänden und Unternehmen im produzierenden Gewerbe sowie zu den Handwerkskammern.
Am Puls der Zeit
2024 wurden auch Projekte angestoßen, die ihre Wirkung erst im nächsten Jahr oder sogar in fernerer Zukunft entfalten werden. Mit einem neuen Leadership-Programm beispielsweise sollen junge Führungskräfte darin bestärkt werden, gesellschaftspolitische Verantwortung zu übernehmen. Außerdem kam für die Hertie-Stiftung 2024 ein ganz besonderer Stein ins Rollen, ein Projekt, dem bereits bei seiner Ankündigung viel öffentliche Aufmerksamkeit zuteil wurde: die „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ – von der Medienmanagerin und Aufsichtsrätin Julia Jäkel, den ehemaligen Bundesministern Thomas de Maizière und Peer Steinbrück sowie dem langjährigen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle ins Leben gerufen. Die Initiatoren holten sich für die Umsetzung ihres Vorhabens neben der Hertie-Stiftung noch drei weitere Stiftungen ins Boot. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier übernahm die Schirmherrschaft und bereits das Kick-off-Event im Schloss Bellevue erregte ein beachtliches mediales Echo. Die Initiative ist mit ihrem Thema also offenkundig sehr nah am Puls der Zeit und für Elisabeth Niejahr auch zutiefst demokratierelevant: „Die Bedeutung eines funktionierenden Staatswesens für die Demokratie wird oft zu wenig beachtet. Es liegt doch aber auf der Hand, dass die Akzeptanz für sie auch davon abhängt, wie wir alle den Staat und seine Organe im Alltag erleben. Die Menschen schauen positiver auf die Demokratie, wenn sie das Gefühl haben, dass das Gemeinwesen gut eingerichtet ist. Zudem wird uns als Bürgerinnen und Bürgern so viel Bereitschaft zur Transformation abverlangt – da dürfen wir auch vom Staatsapparat gewisse Reformanstrengungen erwarten.“ All das ist nur ein Ausschnitt aus dem umfassenden Engagement, mit dem die Hertie-Stiftung im Jahr 2024 dazu beigetragen hat, das politische Gebäude unserer Demokratie instand zu halten, es durch Debattenräume zu beleben, den einen oder anderen Riss in seinen Mauern zu kitten und seine Statik für künftige gesellschaftspolitische Erschütterungen – die nicht ausbleiben werden – zu rüsten. Mehr dazu erfahren Sie in den jeweiligen Projektsteckbriefen.
Projekte

Jugend entscheidet
Jugend entscheidet, das Hertie-Programm für innovative Kommunen, stärkt die Demokratie auf lokaler Ebene...

Beruf:Politik
Das Projekt Beruf:Politik motiviert junge Menschen, in die Politik einzusteigen ...

Jugend debattiert
Mit Jugend debattiert lernen Schülerinnen und Schüler an weiterführenden Schulen, wie sie fair, konstruktiv und regelbasiert streiten...

Business Council for Democracy
Der Business Council for Democracy (BC4D) ist ein Projekt der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung ...

Mitwirken
Die Hertie-Stiftung unterstützt mit ihrem Förderprogramm MITWIRKEN Projekte und Initiativen, die sich für ein demokratisches Miteinander in der Gesellschaft einsetzen – mit einer Kombination aus Crowdfunding, Fördergeldern und anschließender Projektbegleitung.

START – eine Initiative der Hertie-Stiftung
START steht für Chancengerechtigkeit. START fördert Jugendliche mit Migrationsbezug in ihrer Bildungs- und Engagementbiografie ...

Machbarkeitsstudie Gesellschaftsdienst
Mit der zweiten wissenschaftlichen Studie zur Frage nach einem Gesellschaftsdienst trägt die Hertie-Stiftung zur Versachlichung der Debatte bei...

Klaus J. Bade-Preis für Migrations- und Integrationsforschung
Der Klaus-J.-Bade-Preis für Migrations- und Integrationsforschung soll die Publikationsleistung junger Nachwuchsforschender würdigen und wird jährlich von der Hertie-Stiftung gestiftet ...

Hertie School
Die Hertie School ist eine international renommierte Hochschule für Politikgestaltung und gute Regierungsführung. In Masterstudiengängen, Doktorandenprogrammen und ...

Initiative für einen handlungsfähigen Staat
Diese überparteiliche Initiative unter Schirmherrschaft des Bundespräsidenten zielt darauf ab, Empfehlungen zur Stärkung von Staat und Demokratie in Deutschland zu entwickeln. Sie wird von der Hertie-Stiftung und drei weiteren Stiftungen unterstützt und von einer an der Hertie School verankerten Geschäftsstelle koordiniert.